Nachwuchs-Schiedsrichter

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Die Kleinsten an die Pfeife lassen

Bis ein Jugendlicher sich zu einem Schiedsrichterlehrgang anmeldet, vergehen viele Stunden, die ihn Trainer, Mannschaftskameraden und Schiedsrichterverantwortliche in den Clubs überzeugen müssen. Oftmals erscheint für einen 14-jährigen diese Aufgabe nicht besonders reizvoll, kennt er doch Szenen, in denen Unparteiische hart von außen angegangen werden.

Sinnvoll ist es daher, den Kinder neben den Hockeyschläger direkt die Pfeife in die Wiege zu legen, sie also bereits als Mädchen oder Knaben D als Schiedsrichter einzusetzen. Die Vereine im Bezirk Linker Niederrhein innerhalb des Westdeutschen Hockeyverbandes haben sich auf meine Initiative dazu entschieden, Kinder die Spiele pfeifen zu lassen. Zunächst gab es Bedenken, die Eltern, Trainer und Betreuer der spielenden Mannschaften werden die Entscheidungen nicht akzeptieren. Diese Bedenken sind ernst zu nehmen. Denn es bringt nichts, wenn ein 8- oder 10-jähriger zur Pfeife greift und dann vom Platz gejagt wird und eventuell so frustriert ist, daß er diesen Schritt nie wieder unternimmt: Gebranntes Kind scheut das Feuer.

Es ist daher sinnvoll, die Erwachsenen in ihrem Verhalten zu bremsen. Kinder, die Spiele anderer Kinder leiten, haben ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden. Sie brauchen keine genaue Regelkenntnis, denn Fuß- und andere Fehler werden sie pfeifen je nach ihrem eigenen spielerischen Verständnis. Ganz sicher liegen sie damit auf der Linie der Kinder, die das von ihnen geleitete Spiel austragen.

Die Vorteile liegen deutlich auf der Hand: Jedes Kind lernt, daß es normal ist, ein Spiel auch zu pfeifen. Als Spieler werden sich die Kinder gut benehmen, kennen sie doch die Situation als Schiedsrichter. Angst vor der Pfeife, die heute sogar noch viele Spieler in der Bundesliga haben, werden diese Kinder wohl kaum entwickeln. Gleichzeitig wird das Potential an zukünftigen Schiedsrichtern größer und jeder Verband hat steigende Schiedsrichterzahlen, so daß die Belastungen für den einzelnen geringer werden. Meine Erfahrung als Schiedsrichterobmann des Westdeutschen Hockeyverbandes hat gezeigt, daß sich das Verhältnis zwischen Spielern und Schiedsrichtern stetig verbessert je mehr Schiedsrichterlehrgänge ausgerichtet werden, da viele Spieler die Regeln besser kennenlernen und wissen, was der Unparteiische macht.
Welche Voraussetzungen sind zu schaffen? Zunächst sind die Trainer und Betreuer über den Sinn einer solchen Maßnahme zu informieren. Ihnen ist zu verdeutlichen, daß es ganz normal werden muß, wenn die Kinder als Schiedsrichter auch Fehler machen. Sie pfeifen in der Regel leistungsgerecht. Gleichzeitig kommt es nicht zu den oft unschönen Szenen, daß zwei („erwachsene“) Schiedsrichter gegeneinander pfeifen, da die Kinder mit einem im positiven Sinn als naiv zu bezeichnenden Gerechtigkeitsempfinden ein Spiel leiten werden.

Im Vereinstraining soll mit einer solchen Maßnahme begonnen werden. Die Trainingsspiele können die Spieler untereinander gut pfeifen. Lediglich wir Erwachsenen müssen uns als beteiligte Zuschauer anpassen und zurücknehmen. Also dann auch Fehler hinnehmen und eher ermutigen als beschimpfen. Ganz sicher eine Charakterfrage wie der Grundgedanke „positive coaching“.

Michael v. Ameln, Nachwuchsschiedsrichterreferent des DHB

 
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Hinweis:

Das Schiedsrichterwesen in Deutschland steht in den kommenden Jahren vor einer großen Bewährungsprobe. Aus verschiedensten Gründen wagen immer weniger Sportler den Griff zur Pfeife. Aus diesem Grund stellt die Deutsche Hockey Zeitung in unregelmäßiger Folge erfolgreiche Nachwuchs-schiedsrichter vor. Wir drucken diese Portraits mit freundlicher Genehmigung der DHZ noch einmal ab.

 

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